Das berüchtigte Stasi-Gefängnis

Januar 2022: Zugegeben, wir haben es zurzeit nicht leicht! Seit fast zwei Jahren bestimmt die Corona-Pandemie unseren Alltag. Wir müssen Maske tragen, Abstände und Kontaktbeschränkungen einhalten. Jedoch: Wer mit der Gegenwart hadert, ist durch einen Ausflug in die Vergangenheit schnell kuriert. Eine Gruppe aus unseren Berliner Häusern hat sich ein dunkles Kapitel der deutsch-deutschen Geschichte angeschaut: die Verfolgung Andersdenkender in der ehemaligen DDR – an einem Ort des Geschehens und in Begleitung von jemandem, der zu den Opfern des damaligen Regimes gehört.

Fensterlose Zellen und Folter für Andersdenkende

Im Untersuchungsgefängnis des Ministeriums für Staatssicherheit (kurz: Stasi) in Berlin-Hohenschönhausen wurden ab den 1950er Jahren die politischen Gefangenen der DDR – Menschen, die etwa bei „staatsfeindlicher Hetze“ (= kritische Kommentare über die Regierung) oder dem Versuch, das Land zu verlassen, erwischt wurden – verhört und gequält. Bis zum Mauerfall war das Gelände im Stadtplan nicht verzeichnet, das Gefängnis offiziell nicht existent.

In den Anfangsjahren ging es besonders übel zu: die Inhaftierten vegetierten in überfüllten, fensterlosen Zellen im „U-Boot“, dem Kellergefängnis. Sie wurden völlig unzureichend ernährt, körperliche Misshandlung war die Regel. In den 1960er Jahren eröffnete ein Neubau mit Einzelzellen. Fortan gab es immerhin Tageslicht, aber weiterhin strenge Regeln, die ständig kontrolliert wurden. So war Schlafen nur nachts und auf dem Rücken liegend erlaubt, tagsüber durfte das Bett nicht einmal zum Sitzen genutzt werden. Zwar wurde nun auf körperliche Folter verzichtet, dafür waren die perfiden psychologischen „Zersetzungsmethoden“ inzwischen vollends ausgereift. Stundenlange Verhöre ebenso wie die Erniedrigung durch das Wachpersonal führten zu bleibenden Traumata bei den Inhaftierten. Vielen gelang es auch nach dem Ende der DDR nicht mehr, in ein normales Leben zurückzufinden. Sie blieben sozial isoliert, psychisch krank und/oder arbeitsunfähig. Den meisten Tätern hingegen, besonders den jüngeren, gelang die Fortsetzung ihrer Karriere im vereinten Deutschland – was zeigt, dass ihrer einstigen Systemtreue keine ideologische Überzeugung zugrunde lag, sondern dass diese Menschen als Opportunisten jeweils der Linie treu sind, die das Sagen hat.

Bewegende Begegnung mit einem ehemaligen Inhaftierten

Wir hatten bei unserem Besuch das große Glück, eine der vielen Geschichten von Betroffenen aus erster Hand zu erfahren: von einem Zeitzeugen, dem es gelungen ist, seine Vergangenheit produktiv zu verarbeiten. Sein „Konflikt“ mit dem System war entstanden, nachdem man den damals 19-Jährigen unter Druck gesetzt hatte, als „inoffizieller Mitarbeiter“ an die Stasi zu berichten. Weil er seinen Freund nicht bespitzeln wollte, versuchte er 1987 erfolglos, über Ungarn in den Westen zu kommen – für das System war Republikflucht ein schlimmeres Verbrechen als „normale“ Kriminalität. Drei Monate war er daraufhin in Hohenschönhausen inhaftiert, ohne Rechtsbeistand und ohne zu wissen, wo er sich befand. Mit Drohungen, man würde seine Familie festnehmen und seine kleine Nichte ins Heim geben, wurde er weichgekocht, später nach Westdeutschland abgeschoben. Heute engagiert er sich in der Stiftung der Gedenkstätte gegen das Vergessen und klärt über die Folgen von Extremismus auf.

Eine Brücke von der Vergangenheit in die Gegenwart

Die Exkursion war ein echter Augenöffner für die Teilnehmenden aus dem Lotte Laserstein Haus und dem David Friedländer Haus! Und sie weckt Aufmerksamkeit für ein hochaktuelles Thema: Die heutigen digitalen Überwachungsmöglichkeiten, die eine rechtsstaatliche Kontrolle mit Beachtung von Menschen- und Persönlichkeitsrechten umso wichtiger machen.